
Ein komplett selbst konstruiertes und gebautes Fatbike-Fully aus Carbon mit 140 mm Federweg? Das extrem breit bereifte Bike von IBC-User Onkel_Bob kann sich mehr als sehen lassen! Dazu wurde der extrem schicke Eigenbau-Rahmen mit sinnvollen und hochwertigen Komponenten aufgebaut. Viel Spaß mit diesem Bike der Woche!
Bike der Woche
Eigenbau-Fatbike, Onkel_Bob
MTB-News.de: Hallo Onkel_Bob, wir haben ja schon viele schicke Bikes vorgestellt. Aber eigens konstruierte und gebaute Rahmen sind immer etwas ganz Besonderes – noch dazu, wenn es sich dabei um Carbon-Fullys handelt! Und dann auch noch mit fetten Reifen! Wie ist es zu deinem Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen?
Der „Need-a-new-bike-Virus“ hat mich im September 2019 erwischt. Ich habe lange überlegt, was es werden soll und ein Trailbike stand lange weit oben auf der Liste. Allerdings war mir dann die mögliche Gewichtseinsparung gegenüber meinem Enduro doch zu gering – also habe ich mich für etwas Exotisches entschieden: ein Fatbike!
Vom leeren Bildschirm bis zum fertigen Bike – das ist natürlich eine längere Geschichte. Wer mehr wissen will: in meinem Aufbauthread habe ich die Entstehungsgeschichte im Detail beschrieben.
Hier nur ein paar Highlights:

Nach über einem Jahr war es dann so weit: die erste Probefahrt! Nach einem kurzen Proberollen vor der Garage habe ich das Bike gleich in den Transporter gepackt und bin zum Trailcenter Rabenberg gedüst. Das war ein Fest! Wenn man so lange auf etwas hinarbeitet und dann die Lorbeeren ernten kann, das ist schon etwas Besonderes.
Dank Winterpokal hat das Bike ca. 150 Betriebsstunden auf der Uhr. Jetzt im Sommer wird es nicht ganz so oft bewegt. Aber weil es gerne auch ein paar rumpelige Trails und Sprünge mitnimmt, taugt es für mich sehr gut als Ganzjahresbike.
Worauf hast du beim Aufbau deines Bikes besonders geachtet?
Ganz klar: bei der Komponentenwahl stand mein Enduro Pate. An meinem Enduro habe ich schon einige Teile verschlissen oder aus anderen Gründen getauscht. Diese Erfahrungen sind beim Fatty eingeflossen. Der Fokus lag auf Funktion und Haltbarkeit, nicht so sehr beim Gewicht.
Einiges ist fatbike-spezifisch, aber „von der Stange“. Nur die WREN-Fatbike-Gabel hat ein Tuning erhalten: im Originalzustand war sie mir nicht sensibel genug und die Abstreifer taugen nichts. Daher wurde die Luftfeder durch eine Lyrik-Stahlfeder ersetzt und die Original-Abstreifer durch SKF-Abstreifer. Dazu mussten einige Teile neu gefertigt werden – z.B. wurden die Überwurfmuttern durch 3D-Druck-Teile von IGUS ersetzt. Eine Beschreibung der Tuning-Maßnahmen gibt es hier.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Nachdem ich das Bike ausführlich getestet hatte, habe ich mich an den zweiten Rahmen gemacht. Der sollte eigentlich an Weihnachten 2020 für meine Freundin unter dem Weihnachtsbaum liegen. Aber das Wetter hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht: in meiner ungeheizten Garage war es im Dezember doch zu kalt und das Projekt musste auf das Frühjahr verschoben werden. Anfang April war es dann endlich soweit: das zweite Fatty war fertig und wir sind zur ersten gemeinsamen Tour gestartet. Das war ein tolles Erlebnis und ein paar schöne Fotos sind auch entstanden.
Nun sind die Formen eingemottet, weitere Rahmen wird es nicht geben. Irgendwo im Aufbau-Thread wurde schon nach einer Kleinserie gefragt, aber das wird nix werden. Meine „richtige“ Fertigung habe ich schon vor über 10 Jahren geschlossen, ich baue nur noch für mich in der Garage. Änderungen sind nicht geplant, der Rahmen passt so, wie er ist. Da bin ich auch froh, denn Änderungen an der Injektionsform wären nur mit viel Aufwand und Geld zu realisieren.
Auch mit der Ausstattung bin ich zufrieden, da sind keine Änderungen geplant. Das hatte ich allerdings bei meinem Enduro vor 5 Jahren auch gesagt – und da sind mittlerweile über 90 % der Teile getauscht :-) Naja, falls der @Bommelmaster doch noch eine Fatbike-Gabel auflegt, könnte ich schwach werden …
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Erst einmal natürlich der typische Einsatzbereich von einem Fatbike: Winterbetrieb mit viel Matsch und Schnee.
Bei der Geometrie haben sich ein paar Gene von meinem Enduro eingeschlichen, z.B. der flache Lenkwinkel. Auch die Ausstattung ist näher an meinem Enduro als am Surly: SRAM-Code-Bremsen, 12-fach-Antrieb, Teleskop-Sattelstütze mit viel Hub.
Mit 140/150 mm ist der Federweg nicht ganz so üppig wie beim Enduro, aber in Verbindung mit den dicken Reifen nimmt es das Fahrwerk auch mit sehr rumpeligen Trails auf. Lediglich beim Springen bin ich auf dem Fatty dann doch nicht ganz so mutig wie auf dem Enduro – bei viel Fallhöhe hilft eben doch nur viel Federweg.
Was wiegt das Bike?
Das fragt man beim Fatbike doch nicht … ehrlich gesagt habe ich die Bikes auch nicht gewogen. Leicht sind sie natürlich nicht, das Gewicht wird so bei 17 kg liegen. Gewogen habe ich nur den Rahmen: 3,1 kg ohne Dämpfer.
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
Das Highlight ist natürlich der Rahmen. Und er hat ein paar „Sonderlocken“, die man so an keinem anderen Bike findet:
Ein Gelenk durch eine elastische Struktur zu ersetzen ist nicht neu, das machen mittlerweile viele Hersteller. Allerdings wird dabei meist die Kinematik so ausgeführt, dass die elastische Verformung möglichst gering ist. Meine Sitzstreben sind dagegen für eine Verformung von 30 mm ausgelegt und so hatte ich mehr Freiheiten bei der Kinematik.
Es gibt tatsächlich kein Sitzrohr bei meinem Rahmen – die Sattelstütze macht den Job alleine. Es gibt nur einen kleinen Sitzrohrstummel unten für die Klemmung der Stütze und oben eine Abstützung durch das Oberrohr.
Wie fährt sich das Rad?
Die Geometrie ist sehr nahe an meinem Enduro – natürlich bis auf die Laufräder und etwas weniger Federweg. Daher gab es bei der ersten Probefahrt auch keine Überraschungen. Die fatbike-typische Trägheit kannte ich schon von meinem Surly-Moonlander, also auch nichts Neues.
Insgesamt ist das Fahrverhalten wie erwartet: optimal für gemütliche (Winter-)Touren und mit viel Bergab-Potential. Für ein Fatbike fährt es sich für mich recht handlich, aber ich habe auch nur das Surly als Vergleich. Hart oder plüschig? Naja, kommt darauf an, aus welcher Richtung man das sieht. Aus Enduro-Sicht ist es natürlich eher straff. Aus Surly-Sicht dagegen wunderbar plüschig. Das Fatty hat schon einige Trails gesehen, auf denen mich das Surly in hohem Bogen abgeworfen hätte.
Die Kinematik ist nicht so weit weg vom Mainstream. Die Dämpfer-Anordnung ist so gewählt, dass in den Buchsen nur geringe Drehwinkel stattfinden. Daher gibt es sehr wenig Reibung und der Hinterbau arbeitet sehr sensibel.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Die Frage wurde ja schon beantwortet, als mein Enduro Bike der Woche geworden ist. Spannender ist hier vielleicht, wie ich zum Fatbike gekommen bin.
Das ist nun schon fast 10 Jahre her. Meine Freundin und ich hatten uns die Jahre zuvor Winterurlaub auf den Kanaren gegönnt. Wenigstens zwei Wochen dem Schmuddelwetter entkommen, das war schon schön. Aber dann kam ein nicht-klimagewandelter Winter, der seinen Namen noch verdient hatte: gefühlte 6 Monate Schnee, Eis und Matsch. So lange kann man gar nicht in den Süden flüchten. Und so hatte meine Freundin vorgeschlagen, statt in einen kurzen Winterurlaub lieber in Fatbikes zu investieren. Gesagt, getan.
Ein paar Wochen später standen wir bei unserm Händler, um die Bikes abzuholen. Der empfing uns mit den Worten: „ich bin ja ganz schön enttäuscht von den Bikes – ich dachte, die stehen von alleine …“. Habe ich schon erwähnt, dass zwei Surlys zum Verkauf stehen?
Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Immer neue Standards und neue Schnittstellen – dieser Trend ist glücklicherweise etwas abgeebbt. Auf manche Neuerungen (z.B. metrische Dämpfer) hätte ich gerne verzichten können. Da ich (fast) nur selbst entwickelte Bikes fahre, suche ich mir heraus, was mir am besten passt. Aber ich muss natürlich auch im Blick behalten, dass die Ersatzteilversorgung gesichert ist.
In diesen verrückten Zeiten ist ja selbst bei aktuellen Teilen die Lieferfähigkeit nicht immer gewährleistet. Gebrauchte Teile im Bikemarkt fast zum Neupreis kaufen? Keine Seltenheit mehr.
Bevor der nächste Innovationsturbo startet, darf gerne noch etwas Ruhe ins System kommen. Bei aller Begeisterung für Neuheiten sollte man doch den lokalen Händlern die Chance geben, alle notwendigen Ersatzteile zu bevorraten. Betrifft mich so nicht, aber ich würde es gut finden, wenn Bike-Hersteller verpflichtet wären, für 10 Jahre Ersatzteile für ihre Produkte kurzfristig liefern zu können.
Du und die Internet Bike Community – Wann und wie bist du zu uns gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Mein Start im Forum war mein Enduro vor fünf Jahren. Damals war das Forum eine große Hilfe bei zahllosen Detailfragen. Und auch bei der Entwicklung des Fatbikes habe ich hier viele wertvolle Informationen gefunden.
An dieser Stelle ein herzliches „Dankeschön“ an alle für die vielen netten Kommentare in meinem Aufbau-Thread – Balsam für die Seele! Die IBC gehört bei mir zur täglichen Lektüre. Besser als Nachrichten. Steht nicht so viel Unsinn drin. ;-)
Technische Daten: Eigenbau-Fatbike, Carbon-Rahmen mit 140 mm Federweg, Fertigstellung 2020
Rahmen: Der Fully-Rahmen ist eine Eigenentwicklung: ein Fatbike-Carbon-Rahmen mit 140 mm Federweg
Gabel: WREN-Fatbike-Gabel mit 150 mm Federweg, Tuning: Luftfeder durch Stahlfeder ersetzt / SKF-Abstreifer
Dämpfer: Cane Creek Double Barrel Air IL 200/57 bzw. RockShox Vivid Coil R2C
Steuersatz: Cane Creek ZS44/28,6 und ZS55/40
Bremsen: SRAM CODE RSC, Bremsscheiben Formula 200/220
Vorbau: Syntace Megaforce 3
Lenker: SQLab 3OX MTB Carbon High Rise
Griffe: Ergon GE1
Felgen: DT Swiss BR 710 Fatbike Felge 26”
Naben: Hope Pro 4 Fatbike (190×12 / 150×15)
Reifen: 45NRTH Fatbike Reifen Flowbeist+Dunderbeist 26 x 4,6
Kurbel + Innenlager: Race Face Turbine 170/190, Rotor PressFit 30 Innenlager
Kettenblatt / Kettenblätter: Race Face Kettenblatt Stahl 28 Zähne
Kettenführung / Umwerfer: ./.
Schalthebel: SRAM X01 Eagle
Schaltwerk: SRAM X01 Eagle
Pedale: Crankbrothers Stamp 3
Kette: SRAM X01 Eagle
Kassette: SRAM X01 Eagle
Sattel: WTB Volt Titanium Wide
Sattelstütze: Vecnum Nivo 212 mit TRIGLOC-Daumenhebel
Über das Bike der Woche
Ihr habt auch ein Bike, das sich bestens in die ehrenhafte Riege der „Bikes der Woche“ einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Hier zu den Regeln: fotos.mtb-news.de/p/1290006 / Das Album findet ihr hier: mtb-news.de/s/55943.
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